Sehr interessantes, absolut lesenswertes Buch.
Ines Geipel erzählt hier 3 Geschichten parallel, episodenhaft über ihr Verhältniss zu ihrem Bruder, über ihre Familiengeschichte, und über die DDR bzw. den Osten nach der Wende. Und das ganze relativ zusammenhanglos, aber immer schön chronologisch.
Über die ersten beiden Themen will ich mich gar nicht auslassen, aber der Inhalt ist auf alle Fälle heftig und sie schreibt das auch sehr schonungslos, konfrontativ. Ich mag das. Generell ist der Duktus des Buches eher wütend, aufwühlerisch gehalten, ganz weit weg von der Melancholie einer Annie Ernaux. Und das ganze auch noch in einer poetischen, aber sehr rauen Sprache.
Über die DDR und später die neuen Bundesländer versucht sie nicht geringeres als eine Psychoanalyse vorzunehmen und das gelingt ihr hervorragend, da gehts um Themen wie Verdrängung, Aufarbeitung, Schuld, Angst. Problematisch wird es aber am Ende, da man vielleicht einen Menschen nach gründlicher Analyse von seien Problemen therapieren kann, aber wie soll das mit einem Volk geschehen? Sie bleibt in ihren Lösungsansätzen (also zB wie man mit dem erstarkenden Nationalismus umgehen soll) sehr vage, das geht leider nicht weit über „man muss es an den Küchentisch bringen“ hinaus. Aber ganz ehrlich, ich glaube da auch nicht daß es eine Lösung per Fingerschnipp geben kann, bzw. ist mir jeder der das behauptet bisschen suspekt.
Sehr intensives Buch über die Geschichte der DDR und den Osten – absolute Leseempfehlung.